PRESSEMITTEILUNG
München, 24.06.2013 – Wir verstehen die aktuellen Ereignisse in der Türkei im Zusammenhang der Artikel I-3 Absatz 4 und Artikel III-115 bis III-122 in Teil III des Verfassungsvertrags der EU im Kontext der gesamteuropäischen Entwicklung.
Die Botschaft, dass es sich lohnt, für die Werte der Aufklärung, die Europa verkörpern sollen, beharrlich einzutreten, kommt gegenwärtig aus der Türkei. Eine dynamische und leistungsbereite, natürlich friedliche Bürgerbewegung, auch wenn sie nicht bequem sein kann, wünschte man sich gegenwärtig in vielen Mitgliedsstaaten der EU bzw. EURO-Zone.
Die momentan verstärkt artikulierte Ablehnung des EU-Beitrittsbegehrens der Türkei kann weder als Bestrafung der freigewählten türkischen Regierung akzeptiert werden, noch wäre sie zeitgemäß, wirtschaftlich, politisch bzw. strategisch richtig.
Die junge Generation der aufgeklärten offenen Gesellschaften Europas teilt weder die ungenierten Ressentiments noch die machttaktischen Überlegungen den Türken und der Türkei gegenüber. In diesem Zusammenhang empfehlen wir, sich das Video anzusehen, welches Erasmus- Studentinnen und Studenten, die derzeit in der Türkei studieren, in Youtube gestellt haben:
„You’re not alone Turkey – Erasmus Istanbul 2013“.
Das macht uns allen Europäern Hoffnung, dass wir in Europa junge Menschen haben, die bereit sind, sich gemeinsam mit ihren türkischen Freudinnen und Freunden dem weltweiten Wettbewerb in Wissenschaft, Forschung, Kultur, Kunst und Wirtschaft zu stellen.
Im deutsch-türkischen –auch- wirtschaftlichen Interesse unterstützen wir im Zusammenhang des EU-Beitritts der Türkei folgende Forderungen:
(1) Vollmitgliedschaft der Türkei in absehbarer und klar definierter Zeit
Die Deutsch Türkische Wirtschaftsvereinigung DTW e.V. tritt jetzt, angesichts der Ereignisse in der Türkei, noch entschiedener für einen raschen Beitritt der Türkei in die EU ein. Die türkische Volkswirtschaft hat mit der EU gegenwärtig ein Handelsvolumen von 120 Milliarden EUR und ist in einem deutlich besseren Zustand als 21 Mitgliedstaaten der EU. An einer Destabilisierung der türkischen Wirtschaft kann kein Land der EU interessiert sein.
(2) Verhandlungen forcieren
Es müssen alle geöffneten 12 Verhandlungskapitel rasch abgeschlossen und die restlichen 18 Kapitel geöffnet werden. Allerdings können Hinweise auf Zypern-Verhandlungen, die wir unterstützen, nun nicht mehr als Ausrede für einen Stopp der Verhandlungen akzeptiert werden.
(3) Kein Ausschluss von politischen Gremien
Es ist nicht sachlich, weder im deutsch-türkischen politischen noch wirtschaftlichen Interesse, die Türkei, die nahezu alle politisch-wirtschaftlichen Konsequenzen der EU-Rats-und Kommissionsentscheidungen durch ihre vollständige Assoziierung und Zollunion trägt, länger von den Entscheidungsgremien durch eine ewige Ablehnung ihrer Vollmitgliedschaft auszuschließen.
(4) Deutsch-türkische Interessen erfordern eindeutige Unterstützung durch Deutschland in der EU
Unterstützt vom stärksten Mitglied der EU, Deutschland, sollte man mit dieser Forcierung der Verhandlungen auch den türkischen Wählern die Möglichkeit geben, sich bei den bevorstehenden Wahlen in der Türkei in 2014 und 2015 mit einer EU-Vollmitgliedschaft der Türkei bzgl. für und wider auseinanderzusetzten.
(5) Schluss mit der Angstmacherei
Wir wollen in Erinnerung rufen, dass das älteste und fast einzigartig konfliktfreie Verhältnis in Europa, das deutsch-türkische Verhältnis (seit dem Frieden von Karlowitz v. 1699), in den letzten Jahren, insbesondere seit der Deutschen Einheit, sehr viele polemische Töne aus der Politik ertragen musste und sich trotzdem sehr prächtig entwickelt hat. Beide Seiten sollten allerdings begreifen, dass der angeschlagen Ton langsam die Herzen der Menschen irreparabel zu verletzen droht.
Um wegen der gewiss vorhandenen Vorbehalten der Bevölkerung in Deutschland, die wir ernstnehmen, keine weiteren Angstszenarien oder wahltaktische Polemiken zu produzieren und um nicht zuletzt im Hinblick auf die fürchterlichen Folgen der NSU-Morde, den „Hetzern und Trittbrettfahrern“ den Boden zu entziehen, fordert DTW die Bundesregierung auf, in Zusammenarbeit mit der türkischen Regierung eine Forschungsarbeit in Deutschland und der Türkei in Auftrag zu geben, die verlässliche Prognosen einer möglichen Zuwanderungswelle und ihrer Folgen aus der Türkei im Falle ihrer Vollmitgliedschaft liefern kann.
(6) Die türkische Regierung und die Opposition im türkischen Parlament müssen sich deutlich zur Vollmitgliedschaft und den Werten der EU bekennen und sich mehr anstrengen.
Die türkische Regierung und die Opposition im türkischen Parlament müssen sich, wenn sie es ernst meinen, deutlicher zur Vollmitgliedschaft in der EU und deren Werten bekennen und sich dahin gehend mehr anstrengen und danach verhalten. Die in den letzten Jahren erzielten deutlich sichtbaren Fortschritte in der Türkei dürfen nicht umgekehrt, sondern müssen viel mehr ausgebaut werden.